Medienqualität im Grimme-Institut

Teil 3: Medienqualität in guten Beispielen – und: Ist sie verhandelbar?

Logo zur Artikelreihe "Medienqualität"

Im dritten Teil unserer kleinen Serie zu Medienqualität geht es um viele gute Beispiele für qualitativ hochwertige Arbeiten aller Art. Unter anderem (aber nicht nur) rücken wir noch einmal eine Auswahl derer in den Fokus, die mit einem der unterschiedlichen Preise bedacht wurden, die vom Institut organisiert oder mitorganisiert werden. 

Bevor wir damit beginnen, befassen wir uns aber mit der Frage, ob und wie Qualität messbar und verhandelbar ist.

 

Die Publikation „Medienqualität“

„Im Zusammenhang von Preisfindung und Preisentscheidung werden positive Signale gesetzt: Dies ist vorbildliches Fernsehen oder ein vorbildliches Netzangebot, hiervon braucht die Gesellschaft mehr! Mittels Preisen werden vorbildliche Angebote und Persönlichkeiten ausgezeichnet.“ (Frauke Gerlach: Einleitung: Mehr als eine Ehrung …)

2020 erschien die von Grimme-Direktorin Dr. Frauke Gerlach herausgegebene Publikation „Medienqualität. Diskurse aus dem Grimme-Institut zu Fernsehen, Internet und Radio“, welche sich mit Qualitätsmaßstäben, -kriterien und -entscheidungen befasst sowie der übergeordneten Frage nachgeht, was Medienqualität im Sinne des Grimme-Instituts bedeutet.

Akteure und Akteurinnen aus dem Mediensektor, Wissenschaftler(innen) sowie Mitglieder aus Nominierungskommissionen und Jurys von Grimme-Preis, Grimme Online Award und Deutschem Radiopreis diskutieren vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Frage nach Medienqualität Aspekte wie Qualitätsmaßstäbe, Entscheidungen und die Grimme-DNA im Sinne von Kriterien zur Qualitätsmessung und -erhaltung. Auch werden durch langjährige Expert(inn)en Einblicke in die Verfahren der Juryarbeit gewährt und gesellschaftliche Funktionen von Medienpreisen herausgearbeitet. Andere Beiträge verhandeln außerdem Fragen wie: Wie haben sich Qualitäts- und Bewertungsmaßstäbe historisch verändert? Welche Stärken und Schwächen lassen sich in der Gremienarbeit feststellen? Welche Auswirkungen haben Meinungsbildungsprozesse auf die Entscheidungsfindung von Nominierungskommissionen und Jurys?

 

„Sicher ist …, dass Qualität kein in Stein gemeißeltes Programm ist, das seit jeher galt und in Zukunft gelten wird. … Sicher ist, dass immer aufs Neue ausgehandelt wird, was Juroren für Qualität halten, für wichtig, für preiswürdig oder eben auch nicht. … Was Qualität ist, lässt sich also nur konkret am einzelnen Fall bestimmen, und auch der Einzelfall kann eben strittig sein.“ (Fritz Wolf: Signale aus dem Marler Kloster: Aus der Arbeit der Grimme-Preis-Jury „Information & Kultur“)


Einige der guten Arbeiten, die durch die ausführliche Auseinandersetzung von Nominierungskommissionen und Jurys zu Preisträgern wurden, stellen wir nun exemplarisch vor. 

 

Qualität im Fernsehen

„Mit einem Grimme-Preis werden Fernsehsendungen und -leistungen ausgezeichnet, die für die Programmpraxis vorbildlich und modellhaft sind. Leitziel der im Grimme-Preis institutionalisierten Fernsehkritik ist eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Fernsehen, das als zentrales und bedeutsames Medium mit vielfachen gesellschaftlichen Bezügen und Wirkungen verstanden wird. In diese kritische Auseinandersetzung sind alle Themen und Formen des Fernsehens einbezogen.“ (aus: Geschichte des Grimme-Preises)

Der Grimme-Preis steht für Qualität im Bereich der Fernsehproduktionen und zeichnet neben fiktionalen Produktionen auch regelmäßig Dokumentationen aus und vergibt Preise für die „Besondere Journalistische Leistung“. Im Folgenden wollen wir ein paar beispielhafte ausgezeichnete Produktionen / Produzent(inn)en aus den vergangenen zehn Jahren vorstellen, die die Qualität im Medium Fernsehen exemplarisch vertreten.

 

2013 erhielt Bettina Braun (Buch / Regie / Kamera / Schnitt / Produktion) für die Dokumentar-Trilogie „Was lebst du? – Was du willst – Wo stehst du?“ (ZDF) einen Grimme-Preis. Die Dokumentation gibt einen Einblick in das Leben von drei jungen Männern mit Migrationshintergrund. Alis, Kais und Albans Familien stammen aus Marokko, Tunesien, Albanien und der Türkei, ihre Heimat ist Deutschland. Bettina Braun begleitet die Drei in einem Zeitraum von zwei Jahren und geht den Fragen „Welche Ziele und Hoffnungen haben sie? Welche Rolle spielen Religion, Kultur und Familie für ihre Träume?“ nach. Es geht um Hoffnungen und Enttäuschungen und die Zuschauer(innen) erhalten einen Einblick in den Alltag und die damit einhergehenden Probleme der drei jungen Menschen.

„Einen gelungenen Dokumentarfilm zeichnet auch aus, dass er dargestellte Menschen oder Themen so nahebringt, dass sie in prägender Erinnerung bleiben. Den drei Filmen ‚Was lebst du?‘, ‚Was du willst?‘ und ‚Wo stehst du?‘ von Bettina Braun lässt sich diese Leistung im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit attestieren. Sie hat mit ihrer in der über mehr als zehn Jahren entstandenen Trilogie ein Zeitdokument geschaffen, das einen tiefen Einblick in kleine und große gesellschaftliche Verhältnisse gibt, ohne mit den üblichen Klischees zu arbeiten.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

 

2017 erhielt Gabriela Sperl (Konzept) für „Das Konzept von Mitten in Deutschland: NSU“ (Teil 1-3) einen Grimme-Preis. Der Film erzählt die Geschichte von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und geht der Frage nach, wie es zu der furchtbaren Mordserie an mindestens zehn Menschen kommen konnte.

Der Film erzählt, wie sich Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt kennengelernt haben bis zur gemeinsamen Planung der dann folgenden Schwerverbrechen.

„Wie hat sich das NSU-Trio radikalisiert? Warum standen die Opferfamilien selbst jahrelang unter Verdacht? Und wie hat der Verfassungsschutz seine Finger im Spiel? Die Reihe greift auf, was wir über die Mordserie wissen. Sie liefert eine eigene, manchmal vorsichtige Interpretation – und wird damit Teil der öffentlichen Aufarbeitung der größten rechtsradikalen Mordserie in der Geschichte der Bundesrepublik. Dass diesem Projekt eine aufwendige Recherche voranging, ist gerade in den Details immer wieder spürbar. Am Ende stellt das Werk mehr Fragen als es Antworten geben kann. Woher dieser brutale Hass kommt, ist nicht erklärbar. Wie die Opfer für ihr Leid entschuldigt werden können, auch nicht. Beweise verschwinden, Zeugen sterben. Eigentlich wissen wir nichts. Das zeigen die drei Filme in beeindruckender Weise und regen im besten Sinn zum Zweifeln an.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

 

Der Publikumspreis der Marler Gruppe ging 2019 an Hans Block (Buch / Regie), Moritz Riesewieck (Buch / Regie), Christian Beetz (Produktion), Georg Tschurtschenthaler (Produktion) für die Produktion „Im Schatten der Netzwelt - The Cleaners“. Der Film erzählt die Geschichte von fünf Content-Moderator(inn)en aus Manila, die im Auftrag der großen Silicon-Valley-Konzerne belastende Fotos und Videos aus den sozialen Netzwerken wie Facebook, YouTube und Twitter sichten und löschen. Die Zuschauer(innen) erhalten einen Einblick in die traumatisierende Arbeit und werden zudem über die Folgen der so vorgenommenen Onlinezensur sowie über die Verbreitung von Fake News und Hass in Sozialen Netzwerken aufgeklärt.

„Auf den ersten Blick stehen vor allem die sogenannten ‚Content Moderators‘ im Mittelpunkt, die soziale Netzwerke für ihre anonymen Auftraggeber von unter anderem brutalen, pornografischen und gewaltverherrlichenden Inhalten säubern. Für drei US-Dollar pro Tag arbeiten unzählige, jederzeit austauschbare Arbeitskräfte in Outsourcing-Unternehmen in Manila auf den Philippinen, für Facebook, Twitter oder Google. Mangelhaft ausgebildet, müssen sie täglich mehrtausendfach entscheiden: ‚ignore‘ oder ‚delete‘. In dem der Film am Beispiel ehemaliger Mitarbeiter*innen diese Tätigkeit in den Blick der Zuschauer*innen rückt, liegt sein erster Verdienst. Gleichzeitig verdeutlichen die Filmemacher Hans Block und Moritz Riesewieck anhand aktueller Fälle, welche Folgen diese Art von Zensur in verschiedenen Teilen der Welt hat.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

 

2019 ging zudem der Grimme-Preis Spezial an das Team von Docupy für den Dreiteiler der Sendereihe Die Story: „Ungleichland – Reichtum, Chancen, Macht“ und das dazugehörige zukunftsweisende Online-Konzept. Das Team ist für die Erstellung des Mehrteilers in Deutschland umhergereist und mit Menschen ins Gespräch gekommen, die ansonsten öffentlich kaum zu Wort kommen.

„Die dreiteilige Dokumentation und das dazugehörige Online-Projekt schaut mit Hilfe und vor allem am Beispiel des Unternehmers Christoph Gröner, einem der größten deutschen Immobilienentwickler, auf die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich und kommt zu nur bedingt verwunderlichen, aber darum nicht weniger erschreckenden Ergebnissen. Angefangen bei Wohnung und Bildung bestimmt in Deutschland in nahezu allen wesentlichen Bereichen des sozialen und gesellschaftlichen Lebens das Geld die Möglichkeiten der Teilhabe daran und das Bewusstsein. Die Auswirkungen dieser Ungleichheit betreffen dabei nicht nur jeden Einzelnen, sondern letztlich das soziale Miteinander und das demokratische Gefüge insgesamt. Internationale Experten aus Wissenschaft, Forschung und Politik werden ebenso befragt wie die, um die es vor allem geht: die Menschen im Ungleichland Deutschland.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

 

2020 erhielt Jean Boué (Buch / Regie) für Produktion „Die Unerhörten“ einen Grimme-Preis. Der Film wurde vor der Landtagswahl in Brandenburg im Wahlkreis 1, Prignitz I gedreht, begleitet die Direktkandidaten von SPD, CDU, den Grünen sowie der AfD im Wahlkampf und zeichnet dabei ein detailliertes Bild der Protagonisten im ländlichen Raum. Er geht den Fragen und Problemen der Region nach und setzt dem Bild einer extrem rechten Region etwas entgegen.

„Es gab in den vergangenen Jahren viele Fernsehbeiträge über Menschen, die von sich sagen, sie seien wütend auf ‚die Politik‘, weil ihnen nicht zugehört werde. Reporter, die sich ihrer annahmen, landeten gerne mal auf einer Pegida-Demo, konnten dort aber vor allem Pöbeleien und Beschimpfungen aufzeichnen. Der Titel ‚Die Unerhörten‘ spielt auf diese Diskursfigur des sich ungehört fühlenden und unerhört benehmenden selbsternannten ‚besorgten Bürgers‘ an. Aber Jean Boués Film deutet sie um. Wo die Ungehört-Unerhörten sonst auf einer Rechts-Links-Skala ganz rechts verortet werden, geht es hier um das Verhältnis von urbanem Zentrum und ländlicher Peripherie. Die Unerhörten sind hier nicht allein die AfD-Leute, deren Denken so oft die Folie für Beiträge zum Thema ist. Sie sind auch links, grün oder bei der CDU.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

 

Im gleichen Jahr erhielt Georg Restle (stellvertretend für die Redaktion von Monitor) den Grimme-Preis für die Besondere Journalistische Leistung für die kontinuierliche und haltungsstarke Berichterstattung über Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus. Im Rahmen einer kontinuierlichen Berichterstattung wird auf visueller Ebene auf sensationalistische oder übertriebene Formulierungen, Bilder und Effekte verzichtet. Die Recherchen gehen ins Detail und nehmen auch die Zuschauer(innen) mit in die thematischen Tiefen. 

„Das Erstarken von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus stellt die deutsche (und internationale) Zivilgesellschaft vor schwierige Aufgaben. Dringend nötig für den Kampf gegen eine undemokratische Minderheit, die sich in der Mehrheit fühlt, ist eine sachliche, stetige und umfassende Berichterstattung, auf die sich Medienkonsument*innen und Bürger*innen im Diskurs, im Dialog und zum eigenen Nachdenken verlassen können. Die Redaktion von ‚Monitor‘ liefert diese relevanten Nachrichten, Analysen und Hintergrundberichte, ohne sich die Sprache der Beobachteten anzueignen, ohne tendenziöse Begrifflichkeiten, ohne Hass, Spott, Manipulationen oder üble Nachrede, und selbstverständlich ohne Lügen. Sie steht damit für einen vorbildlichen medialen Umgang mit einem Thema, dessen Berichterstattung von Anschuldigungen, Streit und dem Einsatz von Fake News geprägt ist.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

 

2021 ging der Grimme-Preis für die Besondere Journalistische Leistung an Mai Thi Nguyen-Kim. Sie wurde für ihre sowohl wissenschaftlich hochkompetente als auch breitenwirksame Informationsvermittlung zum Thema Corona in ihrem funk-Format „maiLab“ (funk/SWR) sowie bei ihren Moderationen von „Quarks – Corona in 5 Minuten“ (WDR, zum Beispiel hier) ausgezeichnet.

„‚Holt euch einen Tee, Freunde der Sonne, macht es euch gemütlich – Zeit für Science!‘ – so geht es in ihren ‚maiLab‘-Videos meist los. Nun könnte es schnell aufgesetzt wirken, wenn eine 33 Jahre alte Wissenschafts-Journalistin versucht, den Ton einer jungen Zielgruppe zu treffen. Doch Mai Thi Nguyen-Kim wandelt souverän auf dem schmalen Grat zwischen lockerer Ansprache und peinlicher Anbiederung. Ihre Videos sind unterhaltsam und anschaulich, oft mit feinem Humor, gewollt jugendlich sind sie nie. Bei ihr müssen die Zuschauer*innen keine trockene Vorlesung befürchten, vielmehr dürfen sie sich auf eine unterhaltsame Vermittlung neuester Forschungsergebnisse freuen. Auch komplexe Vorgänge schildert sie so, dass Menschen ohne naturwissenschaftliches Studium sie verstehen.“ (Auszug aus der Jury-Begründung

 

Ebenfalls 2021 erhielt Isabel Schayani für ihre Interaktions- und Vermittlungsleistung im Rahmen ihrer kompetenten, empathischen und singulären Berichterstattung aus Moria den Grimme-Preis. In verschiedenen Formaten des WDR und der ARD berichtete sie aus dem Geflüchtetenlager Moria in Griechenland, erklärte dabei die europäische Flüchtlingspolitik und gab zeitgleich einen Einblick in das Geschehen und in das Leben von Geflüchteten.

„Isabel Schayanis Berichterstattung aus dem Geflüchtetenlager Moria (und Moria II) ist verständlich, prägnant, sprachlich gewandt, kompetent in der Sache, empathisch und offen für Unerwartetes, das sie spontan einzuordnen weiß. Sie ist aber mehr als die Summe der einzelnen Qualitäten. Sie ragt im Ganzen heraus. Hervorzuheben ist Schayanis doppelte Interaktionsleistung. Sie spricht zum einen ernsthaft interessiert mit den Menschen, die sie trifft. Sie lässt sie allerdings nicht nur vor der Kamera Statements abgeben und verschwindet wieder. Man merkt an den Reaktionen der Menschen, dass sie diese Frau kennen. Läuft ein Kind ins Bild, interagiert sie mit ihm, ohne je ins Süßliche zu kippen. Und genauso hört sie verärgerten Griechen zu, die mit der Katastrophe vor ihrer Haustür umgehen müssen. Sie betreibt einen wertebasierten und entpolarisierenden Journalismus, der vorbildlich ist für die Fernsehpraxis.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)

 

Im aktuellen Preisjahr geht der Grimme-Preis für die Besondere Journalistische Leistung an Katrin Eigendorf für ihre vier jeweils maximal 30-minütigen „auslandsjournal“-Reportagen zur Lage der Frauen und Mädchen in Afghanistan unter den Titeln „Kampf um Freiheit – Afghanistans Frauen fürchten die Rückkehr der Taliban“, „Die Rückkehr der Taliban – Wohin steuert Afghanistan?“, „Im Reich der Taliban – Vier Monate nach der Machtübernahme“ („auslandsjournal – die doku“) und „Allein unter Taliban – Eine Reise durch ein erschüttertes Land“.

„Die Reportagen geben einen angesichts ihrer Kürze beeindruckend komplexen, konzentrierten und vielschichtigen Überblick über die Entwicklung, die Afghanistan in einem Jahr genommen hat. Anfang 2021 war es noch angezeigt, im Hinblick auf die Zukunft der Frauen im Land Optimismus zu verbreiten, auch wenn die Befürchtungen bereits groß waren. Die zweite und dritte Produktion zeigen die Auswirkungen der Machtübernahme. Die vierte Reportage aus dem Dezember schaute auch dann noch hin, als das Interesse am Thema in der Tagesberichterstattung schon wieder abgeklungen war. Bereits für sich betrachtet handelt es sich um exzellente Reportagen, die das aspektreiche Ergebnis brillanter Beobachtung, nachvollziehbarer Einordnung in die größere politische Lage und weiterführender Recherche sind. Hier kann Katrin Eigendorf von ihrem über einen langen Zeitraum aufgebauten Netzwerk, ihren Erfahrungen in der Krisenregion und ihrem großen Hintergrundwissen profitieren. Die Produktionen sind aber noch erstaunlicher, wenn berücksichtigt wird, unter welchen Bedingungen sie entstanden sind.“ (Auszug aus der Jury-Begründung)


Allen ausgezeichneten Produktionen und journalistischen Werken ist gemein, dass sie genau hinschauen und Menschen zu Wort kommen lassen, die ohne diese Unterstützung nur sehr schwer Gehör finden. Es wird genau recherchiert, gründlich aufbereitet und in den jeweiligen Kontext eingeordnet, auch wenn häufig beim Schauen weitere (unbeantwortete) Fragen aufkommen oder deutlich wird, dass es weiteren Bearbeitungs- und Klärungsbedarf gibt.

 

Qualität im Netz

Der Grimme Online Award zeichnet seit mehr als zwanzig Jahren herausragende Digitalangebote aus. Die Preisträger(innen) beweisen, dass Medienqualität auch in neuen medialen Formen wie dem Podcast oder sozialen Medien wie Instagram und TikTok ihren Raum finden kann.

Einige Beispiele:

 

Das Video „Die Zerstörung der CDU“ von YouTuber Rezo wurde mittlerweile knapp 19 Millionen mal geklickt – ob Reichweite auch Qualität bedeutet? In diesem Fall: ja. Anders als viele es vermutlich von Angeboten auf der Plattform erwartet hätten, glänzt Rezo mit gut recherchierten Argumenten und Transparenz durch die Angabe aller Quellen, auf denen seine Ausführungen beruhen. 2020 wurde er mit dem Grimme Online Award in der Kategorie „Spezial“ ausgezeichnet.

Qualität lässt sich also nicht mehr nur in traditionellen Medien finden, auch digitale Plattformen, Apps und Netzwerke können diese im Idealfall bereitstellen. Hier findet man auch, woran es den klassischen Medien zum Teil fehlt: Diversität. Im Internet kann jeder und jede zum Sender oder zur Senderin werden, was der Qualität nicht immer zwangsläufig zugutekommt (siehe Teil 1 unserer Reihe zur Medienqualität). Allemal öffnet es aber den Raum für Vielfalt und Perspektivenwechsel, wie beispielsweise für das funk-Format Datteltäter (Preisträger 2017 in der Kategorie „Kultur und Unterhaltung“), die Interview-Sendung „Jung & Naiv – Politik für Desinteressierte“ von Tilo Jung (Preisträger 2014 in der Kategorie „Information“) oder die Reportage „Die mit den Händen tanzt“ vom Hessischen Rundfunk (Preisträgerin 2017 in der Kategorie „Wissen und Bildung“). 

 

Medienkritik und ein Blick auf die Rolle von Medienschaffenden spielen im Zusammenhang mit Medienqualität ebenfalls eine wichtige Rolle:

Ganz aktuell wurde der Podcast „Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen?” (Studio Bummens, NDR, rbb , K2H) in der Kategorie „Information” ausgezeichnet.

 

Mit Arbeiten wie diesen veranschaulichen die Macherinnen und Macher das Potenzial digitaler Medien zur Herstellung qualitativ hochwertiger Angebote und Produktionen – gerade auch dann, wenn die genutzten Mittel und Methoden ursprünglich eher zur Kommunikation, Vernetzung und Unterhaltung genutzt wurden. 

 

Und auch die folgenden Projekte sind in den vergangenen vier Jahren beim Grimme Online Award für ihre Medienqualiät im Digitalen ausgezeichnet worden.
Inhaltlich reichen sie von einer Scrollytelling-Seite, mit der die Arolsen Archives eine Kampagne zur Rückgabe von Gegenständen ehemaliger KZ-Insassen an ihre Nachfahren begleiten, über einen YouTube-Kanal, mit dem Medienkritik betrieben, und einen, über den Wissenschaft erklärt wird, hin zu einer langen Webreportage und einem Diskursformat, mit dem sehr gegensätzliche Menschen miteinander ins Gespräch gebracht wurden.

 

 

Qualität fürs Ohr

Der Deutsche Radiopreis honoriert jährlich in Deutschland produzierte Radiosendungen und -leistungen. In den Jahren 2020 und 2021 wurde zusätzlich der Sonderpreis des Beirats verliehen.

2021 wurde er an Radio Wuppertal (Beitrag) für den „herausragenden Einsatz des Lokalradios in der Nacht der Flutkatastrophe“ vergeben. Ein Jahr zuvor ging der Sonderpreis an Prof. Dr. Christian Drosten, der als Leiter der Virologie an der Berliner Charité in dem Podcast „Coronavirus-Update“ von NDR Info „für viele Hörerinnen und Hörer zu einem verlässlichen und wichtigen Begleiter durch die Corona-Krise geworden“ ist.

Persönliche Geschichten medial verarbeiten und dabei trotzdem professionelle Distanz bewahren – auch das zeichnet qualitativ hochwertige Produktionen aus. Mit dem Deutschen Radiopreis gewürdigt wurden beispielsweise Anh Tran als „beste Newcomerin“ 2020 für die Reportage „Heimat tut weh“ und Susann Krieger von MDR Kultur in der Kategorie „beste Reportage“ 2017 mit „Gedoptes Gold“ über ihren Bruder Andreas Krieger (geboren als Heidi Krieger, ehemaliger DDR-Sportler).

Weitere Radio-Preisträger(innen), die Medienqualität im besten Sinne demonstrieren:

 

Medienqualität & Forschung

Von Januar bis Dezember 2021 lief das Projekt „Ausgezeichnet – Britische und deutsche TV-Qualitätspreise im Vergleich. Eine Veranstaltung mit Akteuren aus Preisvergabe, Produktion und Wissenschaft“ des Grimme-Forschungskollegs. Mit dem Projekt sollte eine erste Grundlage für einen fortlaufenden Austausch zwischen Akteur(inn)en europäischer Medienpreise in Kooperation mit den Universitäten Köln und Cambridge geschaffen werden. In der Auftaktveranstaltung „Deutschland 83 – Comparing British and German TV Awards“ am 3. Dezember 2021 diskutierten Grimme- und BAFTA-Preisträger:innen mit Grimme-Preis-Jurymitgliedern über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Preise und tauschten sich über Qualitätsansprüche in sich stetig verändernden Marktbedingungen aus. Durch das Projekt sollte ebenfalls eine wissenschaftliche Aufarbeitung einer Geschichte des Fernsehens und seiner Medienpreise erfolgen. Die Aufzeichnung der Veranstaltung ist auf dieser Doku-Seite zu finden.

 

 

Am 22.09.2022 findet der in einem Dreistrang ausgerichtete Wissenschaftskongress „Medienqualität? Ausgezeichnet, ausgehandelt, ausgerechnet." statt. In einer seiner angebotenen Werkstätten, „Ausgezeichnet I: Europäische Qualitätspreise im Vergleich“, wird die Thematik von Qualitätskriterien im Sinne von Preisvergaben im europäischen Raum erneut aufgegriffen und mit Vertreter(inne)n internationaler Medienpreise verhandelt. Die Werkstatt „Ausgezeichnet II: Historische Betrachtung und zukünftige Perspektive“ widmet sich in einem ersten Teil unter besonderer Berücksichtigung der Archivarbeit der Frage, wie sich Qualitätskriterien historisch verändert haben und was sich aus diesen Veränderungen ableiten lässt. Ein zweiter Teil thematisiert die Zukunft und Fragen rund um Qualität sowohl aus produzierender als auch aus rezipierender Perspektive. Die Werkstatt „Ausgehandelt: Gelungene Diskurse in neuen Öffentlichkeiten“ beschäftigt sich mit einer verständigungsorientierten und gelingenden Diskurskultur im öffentlichen Raum, insbesondere mit Blick auf Online-Kommunikationsräume und neue Öffentlichkeiten. „Ausgerechnet: Big Data und Algorithmen: Digitale Aufklärung in Bildung, Kunst und Qualitätsdiskursen“ behandelt schließlich, wie eine digitale Aufklärung über Big Data und Algorithmen aussehen kann und was sie leisten sollte. Eine Anmeldung zum Kongress ist noch möglich.
 

 

Ansprechpartner(innen):


Für die Publikation „Medienqualität“

Frauke Gerlach | info@grimme-institut.de &
Katharina Schmitz | schmitz@grimme-institut.de
Seite zur Publikation

 

Für den Grimme-Preis

Lucia Eskes | eskes@grimme-institut.de
Website: www.grimme-preis.de

 

Für den Grimme Online Award

Vera Lisakowski | lisakowski@extern.grimme-institut.de
Lisa Wolf | wolf@grimme-institut.de  
Website: www.grimme-online-award.de
quergewebt-Blog: blog.grimme-online-award.de

 

Für den Deutschen Radiopreis

Frauke Gerlach | gerlach@grimme-institut.de &
Gabriele Kochanski | kochanski@grimme-institut.de
Website: www.deutscher-radiopreis.de

 

Für das Projekt „Ausgezeichnet – Britische und deutsche TV-Qualitätspreise im Vergleich“

Lucia Eskes | eskes@grimme-institut.de
Seite des Forschungsprojekts
Seite zur Veranstaltung
Mitschnitt der Veranstaltung 

 

Für den Wissenschaftskongress / Grimme Forschung

Dr. Harald Gapski | gapski@grimme-institut.de &
Monika Elias | elias@grimme-institut.de
Website: www.grimme-forschung.de
Website Wissenschaftskongress