Was uns in diesem Jahr beschäftigt hat (Teil 1)

Mediennutzung, Medienvertrauen

miteinander vernetzte Kugelgebilde
Bild: Geralt/pixabay.com

Mit diesem kleinen Jahresrückblick wenden wir uns noch einmal einigen der Themen zu, die wir im Kontext „Medien & Gesellschaft“ in diesem Jahr für interessant befunden und mit denen wir uns auf die eine oder andere Weise befasst haben. Schwerpunkte haben wir gesetzt auf „KI & ChatGPT“, auf „Wissenschaft & Medien“ sowie auf „Mediennutzung, Medienvertrauen“.
 

„Mediennutzung, Medienvertrauen“

Zu den Dingen, die uns in diesem Jahr beschäftigt haben, zählt unbedingt der Zustand der öffentlichen Kommunikation, vermittelt durch Medien aller Art – von Social Media hin zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Eine wachsende Zahl an Menschen bezieht Informationen und Nachrichten aus sozialen Medien, manchmal überwiegend oder gar ausschließlich. 

„TikTok is the most popular news source for 12 to 15-year-olds“ lautet eine Überschrift des Guardian aus dem Sommer 2023; der Artikel bezieht sich auf Erhebungen des britischen Medien-Watchdogs Ofcom zur Mediennutzung in Großbritannien.
 

Die #UseTheNews-Studie (PDF) des Hans-Bredow-Instituts aus dem Frühjahr 2021 kommt zu dem Schluss:

„Viele Jugendliche und junge Erwachsene äußern ein zurückhaltendes Interesse an Informationen über das aktuelle Geschehen und halten es auch nicht für wichtig, sich dahingehend zu informieren. Die Daten deuten darauf hin, dass dieses mangelnde Interesse mit einer fehlenden Sinngebung verknüpft ist. Daher erscheint es ratsam, die Alltagsrelevanz nachrichtlicher Informationen zu verdeutlichen und Anschlussmöglichkeiten herauszuarbeiten.“

Das Wissen über Funktionen und Arbeitsweisen des Journalismus sei begrenzt, ein Ziel solle sein, „ein besseres Verständnis grundlegender Funktionen des Journalismus in einer Demokratie und der Strukturen des Mediensystems inkl. der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aber auch der Aufmerksamkeitsmechanismen von (sozialen) Medien und der spezifischen Arbeitsweisen des professionellen Journalismus“ herbeizuführen.

 

Aus einer im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung von der Universität Bielefeld durchgeführten Studie aus dem Sommer 2022 geht hervor, dass die Mehrheit der befragten Jugendlichen (75,8 Prozent) Zeitungen misstrauen, 71,6 Prozent von ihnen misstrauen Journalistinnen und Journalisten. „Mehr als ein Drittel der Jugendlichen vermutet, dass die Medien absichtlich wichtige Informationen zurückhalten (37,9 Prozent) und nur ihre eigene Meinung verbreiten (32,8 Prozent).“ (Quelle: Tagesschau vom 30.08.2022)

„‚Das eklatante Misstrauen der Jugendlichen in die Medien, verbunden mit der Annahme, dass diese absichtlich Informationen verschweigen oder nur ihre eigene Meinung verbreiten, halten wir für alarmierend‘, so Studienleiter Prof. Dr. Holger Ziegler. ‚Wir unterscheiden hierbei zwischen Skepsis und Verschwörungsneigung. Eine gesunde Skepsis hinterfragt Informationen, die wir erhalten. Das ist sinnvoll und nützlich im Leben. Stellen wir aber nicht nur den Wahrheitsgehalt einer Information in Frage, sondern vermuten wir, dass uns – in diesem Fall – die Medien absichtlich Informationen verschweigen und manipulieren wollen, dann bewegen wir uns in einem gefährlichen Bereich von Verschwörungsglauben.‘“ (Quelle: Studie der Universität Bielefeld)

Bedrohlich ist also die Verbreitung von Verschwörungserzählungen, aber auch die von Falschmeldungen und Hassreden über Social Media. Unkontrolliert und unredigiert geraten Meldungen und Meinungen (zwischen denen weniger und weniger unterschieden wird) ins öffentliche Bewusstsein – nur in einem geringen Maße lässt sich das, was erst einmal in der Welt ist, wieder einfangen, erläutern, korrigieren. In Zeiten, in denen „Wahrheit“ als subjektiv empfunden wird, werden Beweise in Form von Tatsachen, Fakten, überprüfbaren Belegen und wissenschaftlichen Erkenntnissen obsolet. Sie werden lediglich als Gegenmeinungen gelesen und verlieren ihren Wert als wirksames Korrektiv.
 

In der Studie „Desinformation: Herausforderung für die Demokratie. Einstellungen und Wahrnehmungen in Europa“ (PDF) der Bertelsmann Stiftung von August 2023 heißt es:

„Unsicherheit bei Informationen aus dem Internet und die Wahrnehmung von Desinformation sind in der Europäischen Union weit verbreitet. 54 Prozent der EU-Bürger:innen waren in den letzten Monaten häufig oder sehr häufig unsicher über den Wahrheitsgehalt von Informationen im Internet. Nur vier Prozent waren nie unsicher.“

 

Die angesprochenen Probleme adressiert bei uns insbesondere die Grimme-Akademie seit rund zehn Jahren.

Beginnend mit dem EU-Projekt „BRICkS – Building Respect on the Internet“ im Jahr 2014, bei dem es um Maßnahmen gegen Hassreden im Netz ging, entwickelt die Akademie eine große Reihe an Maßnahmen, Veranstaltungen, Konzepten, Publikationen und Projekten, die Hate Speech, Fake News und Verschwörungsglauben behandeln. In diesem Kontext erwähnt seien:

Die Akademie befasst sich aber auch mit Herausforderungen, die im Spannungsfeld zwischen Nutzerinnen und Nutzern auf der einen Seite, journalistisch Tätigen auf der anderen Seite angesiedelt sind.

Die Aufgabe, Kompetenzen auf der Seite der Konsumentinnen und Konsumenten zu stärken, bearbeitet seit März 2022 das Projekt „DINA – Digitale Informations- und Nachrichtenkompetenz aktivieren“ (gefördert von der Staatskanzlei NRW).

Und die Bandbreite der von der Akademie angebotenen Qualifikationen umfasst neben der Vermittlung von Wissen und handwerklichem Können im weiteren Sinne auch den Blick auf den Journalismus selbst: Das jährlich durchgeführte mehrtägige Medienjournalismus-Seminar fördert die Auseinandersetzung von Journalistinnen und Journalisten mit den Medien selbst, ähnlich wie das ebenfalls jährlich angebotene Seminar „Qualität und Ethik in der Fernsehinformation“ für die Volontärinnen und Volontäre der RTL Journalistenschule. (Dies zählt zu den Inhouse-Seminaren der Akademie.)

 

Am anderen Ende des Spektrums von Mediennutzung befinden sich seriöse Medien, etwa der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Diesem wird immer noch (verhältnismäßig) großes Vertrauen entgegengebracht; doch auch dieses wird geringer (siehe etwa die Ergebnisse der „Langzeitstudie Medienvertrauen“) und ist gepaart mit Kritik und Wünschen nach Reform.

Hiermit hat sich das Grimme-Institut ab 2020 im Rahmen des mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und dem Düsseldorfer Institut für Internet und Demokratie (DIID) durchgeführten Projekts „#meinfernsehen2021 – wie sieht das Fernsehen der Zukunft aus?“ beschäftigt. Hier haben wir eine Plattform zur Online-Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger aufgebaut, die anhand ausgewählter (und im Prozess durch Rückmeldung weiterentwickelter) Fragen ihre Kritik an und ihre Wünsche für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk formulierten.

Die Ergebnisse wurden wissenschaftlich aufbereitet und im Mai 2021 mit Medien- und Filmschaffenden, Senderverantwortlichen und anderen mehr diskutiert. Schwerpunkte der Veranstaltung waren unter anderem „Politische Ausgewogenheit & Neutralität“, „Wie werden Realitäten im ÖRR abgebildet – regional & fiktional?“ sowie „Die Zukunft des Fernsehens“. Die Publikation „#meinfernsehen2021. Bürgerbeteiligung: Wahrnehmungen, Erwartungen und Vorschläge zur Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote“, die die Erkenntnisse aufgreift und ergänzt, erschien im Jahr 2022.

Und schließlich: Die Auseinandersetzung mit dem Thema ÖRR wurde auch in diversen Interviews wiederholt aufgegriffen. Diese sind auf der Diskurs-Seite in der rechten Spalte, Rubrik „Grimme spricht“, zu finden.

 

Ansprechpartnerinnen:

Annette Schneider | schneider@grimme-institut.de
Julia Wilms | wilms@grimme-institut.de
Katharina Schmitz | schmitz@grimme-institut.de