Interview mit Lars Gräßer und Markus Gerstmann

20 Jahre YouTube

Bild von Smartphone mit YouTube-Symbol
Bild: Pixabay.com

YouTube "nullt" zum zweiten Mal, das Jubiläum haben wir zum Anlass für ein Interview mit Lars Gräßer (LG) und Markus Gerstmann (MG) genommen, die sich in den letzten Jahren immer wieder mit Bewegtbild im Netz auseinander gesetzt haben.

20 Jahre YouTube, Grund zu feiern?

  • LG: Wir müssen keine US-amerikanischen Netzwerke feiern, das übernehmen die am besten selbst. Gefühlt hat YouTube allerdings Bewegtbild im Netz erst zum Durchbruch verholfen, sieht man mal vom Streaming ab, und zahlreiche andere Netzwerke erst inspiriert. Diese Leistung muss man schon anerkennen! Dabei ist YouTube nicht nur in Deutschland aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken, nach wie vor  weltweit stark verbreitet und zählt zu den beliebtesten sozialen Medien überhaupt.
  • MG: Gerade für junge Zielgruppen hat YouTube ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten geschaffen und wer nicht selber aktiv wird – das sind immer noch die meisten – konnte zumindest den Aufstieg der YouTuber*innen, heute eher Social Influencer*innen, beobachten, einhergehend mit der Etablierung einer eigenen Medienlandschaft. Unter den Tisch fallen lassen sollte man aber auch nicht, dass die Plattform immer wieder in die Kritik geraten ist: Manchen gilt sie als Radikalisierungsmaschine,[1] anderen als Austragungsort einer harschen Kommunikationskultur (in den Kommentarräumen).  

Welche Nachricht hat Euch zuletzt frappiert mit Blick auf Bewegtbildnetzwerke?

  • MG: Das sind natürlich die großen Veränderungen im Bewegtbildbereich! In sechs Wochen steht die Entscheidung zu TikTok in Amerika an. Aber auch die Entscheidung im Metakonzern, das Factchecking auszusetzen, wird Konsequenzen und Auswirkungen haben. Das gilt auch für die Verbotsdiskussionen von Social Media in einigen Ländern – auch in deutschen Schulen. Ein Ergebnis könnte ein neuer Hype um YouTube Shorts sein, denn viele Menschen haben dies nicht auf dem Schirm. Aber Jugendliche erzählen uns das in unseren Workshops, dass für sie dann YouTube Shorts die Alternative wäre. Oder es kommt mal wieder eine neue App auf dem Markt, die eine neue „Kultur“ entstehen lässt.
  • LG: Frappiert hat mich, dass in den USA YouTube häufiger auf dem Fernseher als auf dem Handy geschaut wird. Die Plattform profitiert dabei von seinen Content Creator*innen. Diesen günstigen Content möchte Netflix jetzt auch integrieren, berichtet etwa heise.de[2], die sich ja eigentlich einen Namen durch hochwertige Streaming-Produktionen gemacht haben.

Ihr habt vor sechs Jahren einen Text zum Umgang mit Bewegtbildnetzwerken geschrieben,[3] wo müsste er neu geschrieben werden?

  • MG: Natürlich haben sich die Namen geändert, die Grundmechanismen sind aber gleich geblieben, ergo die Ansätze für die Medienbildung. Daher freuen wir uns erstmal, dass der Text jetzt für alle verfügbar ist. Danke also an die GMK und kopaed Verlag. Denn im Endeffekt geht es ja darum, dass Eltern und Fachkräfte mit jungen Menschen in einen sokratischen Dialog treten und gemeinsam eine souveräne Mediennutzungsstrategie entwickeln – damals wie heute.
  • LG: Allerdings scheinen sich die Algorithmen gerade zu verändern. Nach dem Vorbild von TikTok geht scheinbar der Trend weg von „Community-basierten“ Algorithmen, hin zu „Personality-basierten“ Ansätzen. Letztere orientieren sich stärker an der eigenen Suchhistorie, der sog. Watchtime, also der Nutzungsdauer bestimmter Webvideos, und damit den eigenen Vorlieben.

Wohin geht die Reise mit den Bewegtbildnetzwerken?

  • MG: Wir sind an einem Punkt angekommen, wo immer mehr Bewegtbilder über die verschiedensten Kanäle verteilt, konsumiert, kommentiert und weitergeleitet werden. Somit ist Bewegtbildnutzung völlig normal geworden für uns – immer und überall. In naher Zukunft wird es dann auch normal sein, dass es KI-generierte Bilder gibt, KI-animierte Fotos in Bewegung gebracht werden und sogenannte DeepFakes regelmäßig in unseren Kanälen auftauchen… Die Diskussion über Medienkompetenz, Ethik und Gesetze wird uns also weiterbegleiten!

 

[1]

www.youtube.com/watch

[2]

www.heise.de/news/Netflix-erwaegt-eigene-Video-Podcasts-im-Kampf-um-TV-Marktanteile-gegen-YouTube-10279083.html

[3]

dieter-baacke-preis.de/wp-content/uploads/2025/02/db14_graesser_gerstmann.pdf